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Nicola und Bart (Sacco und Vanzetti)

Unschuldig hingerichtet Nicola und Bart (Sacco und Vanzetti)

Vor 100 Jahren wurden Sacco und Vanzatti festgenommen, die Empörung über den Prozess und das Urteil vereinte die Arbeiter und Arbeiterinnen weltweit
USA geht traditionell hart gegen die Arbeiterbewegung vor
Die beiden Anarchosyndikalisten wurden Opfer der staatlichen Verfolgung in den USA. 1920 erfolgte bei einer gezielten Razia die Festnahme der beiden. Sieben Jahre später wurden die beiden aufrechten Männer unschuldig auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. Ein besonders krasser Fall von politisch motiviertem Staatsterror. Die USA waren generell sehr brutal in der Niederschlagung der Arbeiterbewegung, es gibt zahllose weitere unfaßbar brutale Beispiele. Ähnlich vernichtend wie gegen die indigene Bevölkerung zuvor wurde oft von der Schußwaffe gebrauch gemacht.
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Sacco und Vanzetti
Ferdinando „Nicola“ Sacco (* 22. April 1891 in Torremaggiore, Provinz Foggia, Italien; † 23. August 1927 in Charlestown, Massachusetts) und Bartolomeo Vanzetti (* 11. Juni 1888 in Villafalletto, Provinz Cuneo, Italien; † 23. August 1927 in Charlestown, Massachusetts) waren zwei aus Italien in die USA eingewanderte Arbeiter, die sich der  Arbeiterbewegung angeschlossen hatten.
Sie wurden am 5.5.20 verhaftet der Beteiligung an einem doppelten Raubmord angeklagt und 1921 in einem umstrittenen Prozess schuldig gesprochen. Nach mehreren abgewiesenen Revisionsanträgen der Rechtsanwaltschaft folgte 1927 nach sieben Jahren Haft das Todesurteil. In der Nacht vom 22. auf den 23. August 1927 wurden Sacco und Vanzetti im Staatsgefängnis von Charlestown auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. Beide wurden keine 40 Jahre alt.
Sowohl der Schuldspruch als auch das letztliche Urteil vom 9. April 1927 hatten weltweite Massendemonstrationen zur Folge. Kritiker warfen der US-amerikanischen Justiz vor, es handele sich um einen politisch motivierten Justizmord auf der Grundlage fragwürdiger Indizien. Entlastende Hinweise seien unzureichend gewürdigt oder sogar unterdrückt worden. Hunderttausende von Menschen beteiligten sich an Petitionen und versuchten damit, einen Aufschub oder die Aussetzung der Urteilsvollstreckung zu erreichen.
Im Jahr 1977 – 50 Jahre nach der Hinrichtung – wurden beide durch den Gouverneur von Massachusetts, Michael Dukakis, postum rehabilitiert.
In seiner fünfundvierzig Minuten langen Rede beteuerte Vanzetti seine Unschuld und hob seinen Kampf um Gerechtigkeit hervor, dessen er sich schuldig gemacht habe:

„Ich habe nicht nur mein ganzes Leben lang kein wirkliches Verbrechen begangen – wohl einige Sünden, aber keine Verbrechen –, […] sondern auch das Verbrechen [bekämpft], das die offizielle Moral und das offizielle Gesetz billigen und heiligen: Die Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen […] Wenn es einen Grund gibt, warum Sie mich in wenigen Minuten vernichten können, dann ist dies der Grund und kein anderer.“

Er prangerte scharf die seiner Ansicht nach feindselige Haltung der Gerichte an:
 

„Nicht einmal ein Hund, der Hühner tötet, [wäre] mit solchen Beweisen, wie die Staatsanwaltschaft sie gegen uns vorgebracht hat, von amerikanischen Geschworenen schuldig gesprochen worden. Ich sage, nicht einmal einem räudigen Hund wäre seine Berufung vom Obersten Gerichtshof zweimal abgelehnt worden […]“

Sie wurden in der gesamten Arbeiterbewegung weltberühmt und ihr Leben wurde in einer großen Solidaritätsbewegung verteitigt- am Ende vergebens. Dennoch sind sie auch einhundert Jahre nach ihrer Festnahme am 5.Mai 1920 noch im Gedächtnis.
Die Internationale Rote Hilfe, die Mitte der 20er Jahre in vielen Staaten Ableger hatte, koordinierte weltweit die Proteste mit ihren Mitgliedsorganisationen. In Deutschland forderte Kurt Tucholsky – publiziert in der Weltbühne vom 19. April 1927 – den US-Botschafter auf, zumindest eine zügige Begnadigung der beiden Gewerkschafter zu erwirken.
In Berlin folgten etwa 150.000 Menschen dem Aufruf der KPD zu einer der größten Demonstrationen der Weimarer Republik. Jedes Arbeiterkind kannte in Deutschland die Geschichte der beiden Sacco und Vanzetti. Der Begriff Klassenjustiz ist mit den beiden Namen verbunden. Die Zeitungen der Kommunisten haben regelmässig über die amerikanische Arbeiterbewegung und auch über das Schicksal von Sacco und Vinzetti berichtet.
Der KPD-Vorsitzende Ernst Thälmann hielt im Berliner Lustgarten die "Rede Gegen den Mord an Sacco und Vanzetti", die am 25. August 1927 in der Parteizeitung Die Rote Fahne abgedruckt wurde. Auch in anderen deutschen Städten wurde demonstriert, etwa in Stuttgart mit einem rund zweistündigen Fackelzug. Bei Ausschreitungen am Rande der Demonstrationen, so in Hamburg, kam es in Deutschland zu insgesamt sechs Todesfällen. Auch in England, Skandinavien, Portugal, Mexiko, Argentinien, Australien und Südafrika kam es zu Streiks und wilden Demonstrationen.
Die Solidarität der Arbeiterbewegung ist stärker als die ethnischen Bewegungen, damals wurden Italiener in den USA auch aus ethnischen Grüneden diskriminiert, europäische Einwanderer insbesondere aus dem Süden und Osten waren nicht besonders angesehen. Aber die Solidarität der Arbeiter in den USA und Europa war grenzenlos. Das Proletariat ist national, lokal, regional und international. Bereits im Kommunistischen Manifest 1848 war die zentrale Forderung "Proletarier aller Länder vereinigt euch!"  denn nur die Masse ermöglicht es durch Streik Reformen und Revolutionen zu erreichen , die Arbeiterbewegung vereint, ethnische Bewegungen hingegen spalten sehr oft nur die Massen. Aktuell leben wir in einem Zeitalter der Individualisierung und der Spaltung, das ist schlecht für guten Fortschritt.
Es gab zum 50. Tag der Festnahme einen bewegenden Film der allerdings in deutscher Fassung nicht im Handel zu bekommen ist, es sind nur Kopien im Umlauf.
Filme zum Thema:
1927 fand die vermutlich erste Verfilmung des Falles statt: Bei dem österreichischen Stummfilm Im Schatten des elektrischen Stuhls führte Alfréd Deésy Regie. Der Spielfilm Winterset (1936) lehnt sich, wie auch das dem Film zugrundeliegende Theaterstück Dezembertag von Maxwell Anderson, an den Fall an.
1928 ließ Erich Mühsam im Deutschland der Weimarer Republik das Drama Staatsräson (ein Denkmal für Sacco und Vanzetti) aufführen.
Der amerikanische Fernsehsender NBC zeigte 1960 The Sacco-Vanzetti Story (Drehbuch: Reginald Rose, Regie: Sidney Lumet) als Teil der Serie Sunday Showcase. Das zweiteilige Fernsehspiel brachte dem Fall zwar neue Aufmerksamkeit, wurde aber als wenig faktentreu kritisiert.
Drei Jahre darauf – 1963 – inszenierte der Regisseur Edward Rothe im Auftrag des WDR die durch Hartwig Schmidt (nach Gerichtsprotokollen) ins Deutsche adaptierte Drehbuchvorlage von Reginald Rose im Dokumentarspiel Der Fall Sacco und Vanzetti für das deutsche Fernsehen (mit Robert Freitag in der Rolle Saccos und Günther Neutze als Vanzetti).
1967 verfilmte Paul Roland Die Affäre Sacco und Vanzetti in Belgien.
1946/47 hatte Woody Guthrie Ballads of Sacco & Vanzetti zur Erinnerung an die 1927 hingerichteten anarchistischen Arbeiter Sacco und Vanzetti aufgenommen. Das Album erschien erst 1960 und enthielt auch Seegers Lied Sacco's Letter To Son aus dem Jahr 1951. Seeger hatte den Abschiedsbrief von Nicola Sacco an seinen Sohn Dante vertont.
1971 kam die italienisch-französische Spielfilm-Produktion Sacco und Vanzetti (Regie: Giuliano Montaldo) in die Kinos. Der Film ist die heute gemeinhin bekannteste dramaturgische Verarbeitung des Falles und verwendet auch selten gezeigtes Archiv-Material von Demonstrationen für Sacco und Vanzetti aus verschiedenen Wochenschauen der 1920er Jahre. Den Soundtrack steuerte Ennio Morricone bei, gesungen von Joan Baez 
https://www.youtube.com/watch?v=7oday_Fc-Gc
(Gänsehaut und Tränen) Das weltbekannt gewordene Lied Here’s to You (Text: Joan Baez, Komposition: Ennio Morricone) gilt der Arbeiterbewegung als eine ihrer vielen großen Hymnen.  Die beiden letzten Zeilen der mehrfach wiederholten vierzeiligen Strophe beruhen auf einer Aussage Vanzettis, die dieser etwa drei Monate vor der Hinrichtung getätigt hatte: “The last moment belongs to us, that agony is our triumph!” („Der letzte Moment wird uns gehören, dieser Todeskampf ist unser Triumph!“)
Deutsche Version von Franz Josef Degenhard dem roten Liedermacher aus NRW in Landessprache
https://www.youtube.com/watch?v=WjFMDsm4xKU
 
Es gibt in vielen Sprachen Versionen des Liedes, griechisch, französisch  natürlich italienisch, mehrsprachige Versionen zum Beispiel von der deutsch-russisch-jüdisch-israelischen US Sängerin Daliah Lavi https://www.youtube.com/watch?v=QXU3OZo7bcE
Buch, der Klassiker zu dem Thema von Upton Sinclair (Sehr zu empfehlen auch und sehr aktuell sein Buch "Der Dschungel" über die Zustände und das Leben der Arbeiter in den Schlachthöfen Chigagos)
Upton Sinclair: Boston
Aus dem amerikanischen Englisch von Viola Siegemund
Manesse Verlag, Zürich 2017
1030 Seiten, 42 Euro Tipp aus 2022, schaut mal bei weltbild, da gibt es das gebundene Buch für wenige Euro.
 
2013 kamen die Beiden in dem Film "First Impact" Der Paketbombenjäger vor, dieser Film ist gratis auf netzkino zu sehen: 

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