Sie sind hier

TTIP: Behauptungen und Wahrheit

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat im Juli 2015 eine Broschüre veröffentlicht, die sich mit TTIP befasst. Die hat sich die Arbeitsgruppe TTIP von Attac Bremen genauer angesehen.
Die kursiven Textteile stellt die Darstellung des BMWi dar,
die fetten Textteile die Antworten der Bremer Attac Gruppe, TTIP-AG Attac Bremen.
Attac wird die gemeinnützigkeit aberkannt, wir berichteten, da es offensichtlich Interessen gegen wirtschaftliche Eliten vertritt.
Allerdings zahlen diese Eliten auch kaum Steuern, sie schmieren nur Ihre Lobbypolitiker.
 
Behauptungen und Fakten zu TTIP
Die Europäische Union und die USA verhandeln gegenwärtig über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP). Durch den Abbau von Zöllen und anderen Handelsbarrieren soll der wirtschaftliche Austausch zwischen der EU und den USA erleichtert werden. Das Abkommen kann weltweit Maßstäbe bei Themen wie Nachhaltigkeit, Gesundheits-, Verbraucher- und Arbeitnehmerschutz setzen und zur politischen Gestaltung der wirtschaftlichen Globalisierung beitragen.
Das Bundeswirtschaftsministerium setzt auf Transparenz und Dialog. Um über die Vor- und Nachteile von TTIP diskutieren zu können, braucht es eine klare Faktenbasis. In diesem Papier setzen wir uns mit Behauptungen auseinander, die in der Öffentlichkeit im Umlauf sind – und die aus Sicht des Bundeswirtschaftsministeriums nicht der Faktenlage entsprechen. Wir wollen Fakten gegen Behauptungen setzen. Damit wollen wir zur Aufklärung beitragen und zur Diskussion einladen.

 
Richtigstellung
Das BMWi will Fakten gegen Behauptungen stellen. Wir stellen nach Durchsicht fest, dass der Text statt Fakten fast nur Behauptungen, Unterlassungen und Verdrehungen präsentiert.
Die Unterlassungen sind eine besonders problematische Form der Irreführung, weil sie nicht augenfällig werden, daher dem Leser eben nicht bewusst werden und somit von ihm auch nicht ohne weiteres hinterfragt werden können.
Die wichtigsten sind:
 Negativlisten: Alles was nicht privatisiert oder dereguliert werden soll, muss also explizit und sehr genau definiert zum Vertragsabschluss in die Listen aufgenommen werden. Sie blockieren souveränes politisches Reagieren einer Vertragspartei auf zukünftige Gefahren, da diese nach Vertragsabschluss nur einvernehmlich mit dem Vertragspartner in die Negativlisten aufgenommen werden können.
 Ratched- oder Sperrklinkenklausel: Sie verhindern automatisch die Einschränkung oder Zurücknahme des zu einem Zeitpunkt erreichten Liberalisierungsstandes, zum Beispiel eine Rekommunalisierung privatisierter Bereiche.
 Der einzurichtende Regulierungsrat: Mit seiner Hilfe soll die gesetzgeberische Arbeit durch Beamte der Exekutive und durch Vertreter der Wirtschaftslobby beider Seiten bis ins Detail vorbereitet und teilweise ohne parlamentarische Mitwirkung in Kraft gesetzt werden. Das bedeutet Entdemokratisierung und Verlagerung politischer Macht auf die Konzerne beider Seiten.
Prof. a.D. Rudolf Hickel urteilte am 8. Oktober 2015: „Die Nähe dieser BMWi-Broschüre zu Propaganda ist groß."
Aber urteilen Sie selbst.

Inhalt
1. Transparenz ................................................................................................... 4
2. Verhandlungen ............................................................................................... 5
3. Schiedsverfahren ........................................................................................... 6
4. WTO .............................................................................................................. 7
5. Mittelstand ..................................................................................................... 8
6. Daseinsvorsorge .......................................................................................... 10
7. Wasserversorgung ....................................................................................... 12
8. Verbraucherschutz ....................................................................................... 13
9. Fleischimporte ............................................................................................. 14
10. Genfood ....................................................................................................... 15
11. Biolabel ....................................................................................................... 16
12. Regionale Spezialitäten ............................................................................... 17
13. Arzneimittel ................................................................................................. 18
14. Nachhaltigkeit ............................................................................................. 19
15. Kultur .......................................................................................................... 21
16. Rundfunk ..................................................................................................... 22
17. Fracking ....................................................................................................... 23

Transparenz
„TTIP ist intransparent. Über die geheimen Verhandlungen gibt es keine Informationen.“
Fakt ist: Internationale Vertragsverhandlungen sind – wie allgemein üblich – nicht öffentlich. Es gilt der gleiche Grundsatz wie bei allen Verhandlungen: Kennt ein Verhandlungspartner die genauen Strategien und Rückfallpositionen seines Gegenübers, ist dessen Verhandlungsposition geschwächt.
Richtig ist aber auch: Viel zu lange hat die EU-Kommission die berechtigten Forderungen aus der Bevölkerung und aus den Mitgliedsstaaten ignoriert. Die Bundesregierung hat sich dafür eingesetzt, dass die Grundlage der TTIP-Verhandlungen – das Verhandlungsmandat der Mitgliedsstaaten – veröffentlicht wird. Es kann seit Herbst 2014 auf der Internetseite der EU-Kommission eingesehen werden.
Mittlerweile sind die TTIP-Verhandlungen transparenter als alle bisherigen Verhandlungen der EU über Freihandelsabkommen. Um mehr Transparenz der TTIP-Verhandlungen zu erzielen, veröffentlicht die EU-Kommission zu zahlreichen Kapiteln des geplanten Abkommens sowohl zweiseitige Faktenblätter in verständlicher Sprache als auch die Textvorschläge und Positionspapiere der EU, die in den TTIP-Verhandlungen mit den USA verwendet werden.
Sobald neue Dokumente verfügbar sind, werden diese ergänzt und auf der Internetseite der EU-Kommission öffentlich zugänglich gemacht: http://ec.europa.eu/index_de.htm

Richtigstellung Transparenz
Auf der oben zitierten Internetseite der Kommission werden jedoch im Wesentlichen nur Zusammenfassungen und Interpretationen eingestellt, die die Position der EU-Kommission darstellen. Transparenz bedeutet dagegen, Originaltexte wie z.B. Protokolle zu veröffentlichen. Dies ist z.B. bei den internationalen Verhandlungen der WTO durchaus üblich.
Die Kommission hat nicht freiwillig sondern erst auf Druck der Öffentlichkeit ganz allmählich begonnen, Informationen an die Öffentlichkeit zu geben. So hat sie das Verhandlungsmandat zu TTIP erst veröffentlicht, nachdem es bereits geleakt war. Das CETA Verhandlungsmandat ist sogar erst im Herbst 2015 auf Druck veröffentlicht worden, obwohl der Vertrag seit 2014 fertig verhandelt ist.
Dass Parlamentarier, die am Ende über den Vertragstext abstimmen sollen, keinen Zugang zu den Verhandlungsprotokollen bekommen, ist absolut nicht hinnehmbar. Zur Zeit dürfen nur 139 Mitarbeiter aus verschiedenen Ministerien in den Leseraum der US-Botschaft in Berlin, die anschließend jedoch zur Geheimhaltung verpflichtet sind. Das Protokoll der 10. Verhandlungsrunde bleibt unter Verschluss in einem Leseraum in Brüssel und Abgeordnete können nur über Briefings beteiligter Beamten erfahren, was darin steht.
Selbst Bundestagspräsident Lammert hält es für ausgeschlossen, „dass der Bundestag einen Vertrag ratifizieren wird, dessen Zustandekommen er weder begleiten noch in alternativen Optionen beeinflussen konnte“ (28.10.15).
Die „Transparenzoffensive“ der EU ist eine Scheinmaßnahme und genügt der Öffentlichkeit nach wie vor nicht. Der Leiter der Bertelsmann Stiftung, Aart De Geus, hat kürzlich in einer Podiumsdiskussion dies mit dem Satz bekräftigt: „Es ist klar für mich, und man kann es gar nicht genug betonen, dass größtmögliche Transparenz erforderlich ist. Politik hinter verschlossenen Türen ohne eine offene und konstruktive Debatte funktioniert nicht mehr.“
Es ist im Übrigen keine Kunst, mehr Transparenz als in bisherigen Freihandels-Verhandlungen zu üben: Dort gab es nämlich überhaupt keine Transparenz.

Verhandlungen
„Die TTIP-Verhandlungen sind undemokratisch. Parlamente werden nicht beteiligt.“
Fakt ist: In die laufenden Verhandlungen sind die gewählten Volksvertreter eng eingebunden. Das Europäische Parlament hat Zugang zu allen Verhandlungsdokumenten und kann seine inhaltlichen Positionen gegenüber den Verhandlungsführern durch Entschließungen deutlich machen.
Die Bundesregierung leitet die Verhandlungsdokumente und alle Berichte aus Brüssel an den Deutschen Bundestag weiter und unterrichtet in allen betroffenen Gremien (Ausschüsse, Arbeitskreise, etc.) über den Verhandlungsverlauf. Sie hat rund 700 parlamentarische Fragen zu TTIP beantwortet.
Am Ende der Verhandlungen wird TTIP nur in Kraft treten, wenn sowohl die Mitgliedstaaten im Rat als auch das Europäische Parlament dem Abkommen zustimmen.
Die Bundesregierung und die EU-Kommission gehen davon aus, dass es sich beim TTIP um ein sogenanntes „gemischtes Abkommen“ handeln wird, d. h. sowohl die EU als auch ihre Mitgliedstaaten Vertragsparteien werden. Dann muss zusätzlich jedes einzelne der 28 nationalen Parlamente zustimmen.
Das Verhandlungsergebnis werden alle Mitgliedstaaten und die Parlamente genau prüfen und erst dann entscheiden, ob dem Ergebnis zugestimmt werden kann.
Schon allein deshalb werden die Verhandlungsführer dafür Sorge tragen, dass im endgültigen TTIP keine Ergebnisse stehen, die den EU-Bürgerinnen und -Bürgern schaden oder ihre Interessen missachten.

Richtigstellung Verhandlungen
Die Verhandlungen beruhen auf einem Mandat des Europäischen Rats (den Regierungschefs), das die Kommission selbst ausgearbeitet hat. Nicht die Bundesregierung sondern Frau Malmström bzw. die EU-Kommission, die nicht vom Volk gewählt sind, verhandeln. Der Zugang zu den Verhandlungsdokumenten für die gewählten Volksvertreter ist scharf begrenzt (siehe Antwort zum Thema „Transparenz“).
Die Verhandlungsergebnisse treten bereits vorläufig in Kraft, wenn der Europäische Rat und die kanadische bzw. US-Regierungsseite zustimmen. Durch eine solche vorläufige In-Kraft-Setzung in einem nicht-öffentlichen Verfahren, ohne parlamentarische Beteiligung und unter Lobbydruck entsteht bereits ohne parlamentarische Beteiligung jahrelanger Schutz für Investoren (sog. Zombieklausel).
Parlamentarische Entscheidungen fallen mit Ja oder Nein nur über das Gesamtergebnis. So gab es von Frau Malmström keine Bereitschaft, CETA noch einmal aufzuschnüren, um das Investitionsschutzverfahren im CETA zu ändern.
Ein Beispiel zur Interessenwahrung: Die Interessen der EU-Bürgerinnen und Bürger werden eben nicht gewahrt, wenn zum Beispiel die US-Agroindustrie Marktzugang in Europa erhält, und dadurch negative Auswirkungen auf die europäische bäuerliche Landwirtschaft erwachsen.

Schiedsverfahren
„Mit TTIP gibt die Politik ihre Gestaltungsmöglichkeiten aus der Hand – denn durch Investor-Staats-Schiedsverfahren erhalten Konzerne die Macht, staatliche Regulierung anzugreifen oder zu behindern.“
Fakt ist: Die Investitionsschutzbestimmungen in TTIP sollen das Recht der Staaten wahren, Maßnahmen im Gemeinwohlinteresse zu treffen, etwa im Umwelt-, Sozialrecht und bei der Gesundheitsversorgung. Das ist im Verhandlungsmandat des Rates an die EU-Kommission ausdrücklich vorgesehen. Investitionsschutz wird in TTIP nur einbezogen, wenn dieses Ziel in den Verhandlungen erreicht wird, vgl. Ziff. 23 und 22 des Verhandlungsmandats.
Es sollen klarere rechtsstaatliche Grundlagen geschaffen werden und die bisherigen Schiedsgerichte mit privaten Anwälten in öffentlich-rechtliche Institutionen umgewandelt werden:
 mit Berufsrichtern oder unabhängigen Wissenschaftlern statt Vertretern von Anwaltskanzleien,
 mit öffentlichen und transparenten Verfahren und Berufungsinstanzen.
Außerdem soll die Möglichkeit für Investoren, solche öffentlich-rechtlichen Schiedsinstitutionen anzurufen, klar beschränkt werden. Und es soll erreicht werden, dass Investoren vor einem Schiedsgericht keine weiter gehenden Rechte geltend machen können als vor einem innerstaatlichen Gericht. Wir verfolgen damit die Idee der Einrichtung echter Handelsgerichtshöfe statt „Geheimgerichte“ mit Anwälten. Damit wird die Bundesregierung über das hinausgehen, was sie in über 130 Investitionsschutzverträgen bislang festgeschrieben hat.

Richtigstellung Schiedsverfahren
Dass die bisherigen Schiedsgerichte (ISDS) mit privaten Anwälten in öffentlich-rechtliche Institutionen umgewandelt werden sollen, ist reine Kosmetik. Auch solche Gerichte müssen sich am Vertrag orientieren, dessen Inhalt im Wesentlichen gleich bleibt. So können Staaten weiterhin verklagt werden, wenn „berechtigte Erwartungen des Investors frustriert werden“. Als „berechtigte Erwartungen“ wurden aber in der Vergangenheit immer wieder entgangene Gewinne bzw. Gewinnerwartungen eingeklagt. Ein solches Klagerecht existiert in unserem Recht bisher nicht. Im CETA-Vertrag sind zudem weiterhin private Schiedsgerichte festgeschrieben. Unternehmen können also weiterhin mit Hilfe von CETA durch ihre kanadischen Unternehmenstöchter die USA oder EU-Staaten über private Schiedsgerichte verklagen.
ISDS bleiben unnötig: Es besteht ausreichend transatlantischer Rechtsschutz gegen Enteignungen und gegen Diskriminierung. International steht Unternehmen der WTO-Streitschlichtungsweg zur Verfügung, indem sie ihre Regierung um Klage gegen ein anderes Land bitten.
ISDS bleiben diskriminierend: Nur Unternehmen haben das Privileg Staaten zu verklagen, nicht umgekehrt. Auch Bürger/innen sind auf den üblichen Rechtsweg angewiesen und zudem als Steuerzahler gezwungen, die erheblichen Kosten verlorener Schiedsgerichtsverfahren zu tragen.
ISDS bleiben demokratiefeindlich: Profitsicherung soll demokratisch legitimierte Entscheidungen ausstechen können. So erstritt der US-Konzern Bilcon per Schiedsgericht gemäß dem NAFTA-Freihandelsvertrag 300 Mio. US-Dollar „Schadensersatz“ wegen "nicht fairer und billiger Behandlung" von Kanada, da sein geplanter Steinbruch nach einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht gebaut werden durfte.
ISDS ermöglichen Erpressungen: So erpresste Vattenfall erfolgreich über ein geheim tagendes New Yorker ICSID-Schiedsgericht (Klagedrohung 1,4 Milliarden Euro) den Hamburger Senat, die verschärften Umweltauflagen für sein Kohlekraftwerk Moorburg zu entschärfen. Klagedrohungen können also zum gesetzgeberischen Stillstand führen, weil Parlamente sich nicht mehr trauen, das Risiko hoher Schadensersatzforderungen einzugehen.
ISDS sind ein Geschäftsmodell: Schon jetzt spezialisieren sich Anwaltskanzleien auf ISDS-Klagen. Sie sind findig genug, Unternehmen Klagen schmackhaft zu machen, die Klagewelle anzuheizen und dabei selbst kräftig zu verdienen – auf Kosten der Steuerzahler/innen.

WTO
„TTIP geht auf Kosten anderer Länder und versetzt der Welthandelsorganisation (WTO) den Todesstoß.“
Fakt ist: Sowohl für Deutschland, die EU als auch die USA sind Fortschritte in der Welthandels-organisation sehr wichtig. Denn gerade für ein exportorientiertes Land wie Deutschland ist ein einheitliches und offenes Welthandelssystem unabdingbar. Daran ändert TTIP nichts.
Deswegen haben die EU, auch Deutschland, und die USA die größtmögliche Flexibilität bei den Verhand-lungen zur Doha-Entwicklungsrunde gezeigt, um eine Einigung auf der letzten WTO-Ministerkonferenz in Indonesien (sogenannte „Bali Paket“) zu erreichen. Beide Verhandlungspartner setzen sich weiter für eine rasche Umsetzung der Beschlüsse der Ministerkonferenz ein und wünschen einen baldigen Abschluss der Doha-Runde. Davon würden vor allem auch die Entwicklungsländer profitieren.
TTIP bietet gerade exportierenden Unternehmen aus Drittstaaten konkrete Handelsvorteile: Sie müssten dank TTIP nicht zwei unterschiedlichen Anforderungen folgen, sondern könnten ihre Produktion für einen gemeinsamen transatlantischen Markt ausrichten.

Richtigstellung WTO
Das Stocken der Doha-Entwicklungsrunde der WTO (2001 – 2014) wurde verursacht durch den Widerstand von Indien und anderen wirtschaftsschwachen Ländern. Sie wendeten sich u.a. gegen den Versuch der Industrieländer, den subventionierten Aufbau einer Nahrungsmittelreserve zu verbieten. Nach dem Scheitern der WTO-Verhandlungen werden nun die wirtschaftsschwachen Länder durch bilaterale Abkommen unter Druck gesetzt, u.a. durch die Economic Partnership Agreements (EPA) mit AKP-Ländern (Afrika, Karibik, Pazifik). Sie werden gezwungen, Schutzzölle für ihre einheimischen Produzenten und in Aufbau befindliche Industrien abzubauen, und diese sind damit dem unfairen Wettbewerb mit den EU-Staaten und den USA chancenlos ausgeliefert.
Sowohl Verhandlungen der WTO als auch TTIP oder andere Freihandelsabkommen haben immer das Ziel, den Abbau von Handelshemmnissen und die Liberalisierung des internationalen Handels voran zu treiben.
TTIP wird auf Kosten des armen globalen Südens verhandelt. Wenn Handelsbarrieren für US- und EU-Produkte und damit auch die Preise fallen, wird dadurch die Wettbewerbssituation für diese Länder schwieriger, und es findet eine Handelsumlenkung zu ihren Lasten statt.

Mittelstand
„TTIP dient den Interessen der Großkonzerne – und nicht der kleinen und mittleren Unternehmen!“
Fakt ist: Gerade der deutsche Mittelstand zeigt, wie sehr er durch die globale wirtschaftliche Verzahnung profitiert, wenn sich internationale Märkte weiter öffnen. TTIP wird insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen helfen, neue Absatzmärkte zu erschließen – durch weniger Markthürden und klare Regeln.
Das Problem: Gerade kleine Unternehmen haben oft Schwierigkeiten, ihre Produkte auf internationale Märkte zu bringen, weil sie nicht das Personal und das Kapital haben, für zwei oder mehr unterschiedliche Märkte zu produzieren.
Genau hier setzt TTIP an: Marktzugangshürden wie etwa doppelte Zulassungsverfahren und unterschiedliche technische Standards sollen durch das Abkommen abgebaut, gleichzeitig aber ein Maßstab für faire Handelsregeln gesetzt werden. Zusätzlich ergeben sich durch die Öffnung des Marktes für öffentliche Aufträge in den USA neue Geschäftsmöglichkeiten für Unternehmen. Beispielsweise verpflichtet der Vertragsentwurf des Wirtschafts- und Handelsabkommens zwischen der Europäischen Union und Kanada CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) die Vertragspartner dazu, im Bereich der öffentlichen Aufträge Informationen zur geltenden Rechtslage sowie zu laufenden Ausschreibungen in elektronischen Medien zu veröffentlichen. Dieses unbürokratische Informationswesen nützt vor allem kleinen und mittleren Unternehmen.

Richtigstellung Mittelstand
Über 99% der Unternehmen in Deutschland zählen zu den Kleinen und Mittleren Unternehmen (KMU). Das Institut für Mittelstandsforschung, Bonn, vermeldet 2012 einen Anteil von 11% KMU an Exportunternehmen in Deutschland, weniger als 1% exportieren in die USA.
Freihandelsabkommen werden den Exportanteil der KMU nicht deutlich erhöhen.
Laut EU-Normenausschüssen CEN und CELENEC wird es keine Vereinheitlichung technischer Standards (Blinkerfarben, Schraubengrößen etc.) geben, höchstens wechselseitige Anerkennung. Zurückgedreht würden die Fortschritte der europäischen Normengebung mit der Zusammen-fassung von 160.000 auf 19.000 nationalen Normen. US-Unternehmen würden bevorteilt, weil sie nur die schwächeren US-Normen beachten müssten, wohingegen EU-Unternehmen die schärferen Normen der EU-Staaten berücksichtigen müssten.
Freier Marktzugang bringt durch die absolute Gleichstellung in- und ausländischer Investoren zusätzliche Konkurrenz mit sich. US-amerikanische Unternehmen erhöhen den Konkurrenzdruck, wenn sie aufgrund anderer Standards (z.B. niedrigerer Löhne und technischer Normen) günstiger produzieren und zu entsprechend niedrigen Preisen anbieten. Das bedroht Marktanteile der KMU.
Noch werden bei der Vergabe öffentlicher Aufträge in Deutschland KMU „vornehmlich“ berücksichtigt (vgl. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, GWB). Dieser Passus diskrimi-niert große, multinationale Konzerne. Mit TTIP sollen die Schwellenwerte für Ausschrei-bungspflichten gesenkt und damit der Konkurrenzdruck erhöht werden. Die Zuschlagserteilung darf (von wenigen Ausnahmen abgesehen) nicht an soziale, ökologische oder standortbezogene Bedingungen gekoppelt werden; regionale Unternehmen werden dadurch zusätzlich benachteiligt.
Auch innereuropäisch werden sich die KMU neuer Konkurrenz gegenüber sehen. Eine Studie der Tufts University zeigt beispielsweise einen zu erwartenden Verlust bei den Nettoexporten von 1,14% für Deutschland ein Jahrzehnt nach Inkrafttreten von TTIP.
Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) e.V. sieht in den Investor-Staat-Schiedsverfahren (ISDS) eine weitere Gefahr für den Mittelstand. Die hohen Kosten der Verfahren sind für KMU nicht tragbar. Deshalb hat sich eine Gruppe von KMU gegen TTIP ausgesprochen und fordert den Stopp der Verhandlungen unter www.kmu-gegen-ttip.de. Ihr Aufruf „Kleine und Mittlere Unternehmen gegen TTIP“ hat umgehend mehr als 1.500 Unterstützer gefunden.

Arbeitnehmerrechte
„TTIP höhlt Arbeitnehmerrechte wie Mitbestimmung und das Betriebsverfassungsrecht aus.“
Fakt ist: Die Mitbestimmung, das Betriebsverfassungsrecht und die Tarifautonomie sind keine nichttarifären Handelshemmnisse und daher kein Gegenstand der TTIP-Verhandlungen.
Unternehmen müssen auch mit TTIP die in Deutschland geltenden Vorschriften beachten.
Nationale Gesetze oder Vorschriften eines EU-Mitgliedstaates für Beschäftigung oder soziale Sicherungsmaßnahmen, die Vorschriften über Lohnverhandlungen, das Streikrecht, Mindestlöhne und Tarifverträge bleiben unberührt. Wenn unterschiedliche Schutzniveaus existieren, können diese durch das Abkommen nicht nivelliert werden.
Vorschriften zum Arbeitsschutz werden nicht gelockert. Im Gegenteil: Es ist geplant, Vereinbarungen in das Abkommen aufzunehmen, die dafür sorgen, dass internationale Normen zum Arbeitsschutz eingehalten und auch durchgesetzt werden, s. Ziff. 8 und 32 des Verhandlungsmandats. Außerdem sollen Bestimmungen zur verantwortlichen Unternehmensführung (Corporate Social Responsibility) in den Vertrag eingehen, Ziff. 32 des Verhandlungsmandats.

Richtigstellung Arbeitnehmerrechte
Gewerkschaften haben in den USA und Europa sehr unterschiedlich Arbeitnehmerinteressen durchgesetzt. Die USA haben 6 der 8 ILO Kernarbeitsnormen nicht unterzeichnet, unter anderem jene zur Koalitionsfreiheit (Übereinkommen 87) und zum Recht auf kollektiv verhandelte Tarifverträge (Übereinkommen 98). Allein dies sollte Grund genug sein, keinerlei Abkommen zu Wirtschafts- und Handelspolitik mit den USA zu verhandeln.
Darüber versuchen US-Unternehmen Bestrebungen hin zu gewerkschaftlicher Organisation und Tarifverhandlungen mit Einschüchterung und Drohungen zu unterbinden (sog. „union busting“).
Durch den erleichterten Marktzugang infolge TTIP würde zusätzlicher Wettbewerbsdruck entstehen. Es besteht die Gefahr eines Unterbietungswettbewerbs, in dem Standards gelockert (d.h. Arbeitsbedingungen verschärft) werden, um günstiger produzieren zu können. Fälle von „union busting“ treten in zunehmendem Maße in Europa auf, Fachanwälte spezialisieren sich darauf, wie Gewerkschaften diskreditiert und aus den Unternehmen verdrängt werden können.
Durch die ISDS-Schiedsgerichte könnten Verbesserungen im Arbeitnehmerschutz (z.B. Mindestlöhne, Verkürzung der Arbeitszeiten) als Verletzung „legitimer Erwartungen“ bzw. als „indirekte Enteignung“ durch Investoren vor Schiedsgerichten angefochten werden. Die pure Möglichkeit derartiger Klagen und damit einhergehender Schadensersatzansprüche übt Druck auf Politik und Gewerkschaften aus. Hätte in Deutschland nach Abschluss von TTIP noch ein Mindestlohn eingeführt werden können?

Daseinsvorsorge
„TTIP bedroht die öffentliche Daseinsvorsorge – es öffnet Privatisierungen Tür und Tor!“
Fakt ist: Die öffentliche Daseinsvorsorge hat eine Sonderrolle bei den TTIP-Verhandlungen – sie unterliegt besonderem Schutz. Ziffer 19 des Verhandlungsmandats sagt klar: Die hohe Qualität der öffentlichen Versorgung in der EU sollte im Einklang mit dem AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union), insbesondere dem Protokoll Nr. 26 über Dienste von allgemeinem Interesse (…) gewahrt werden. Für die Bundesregierung ist klar: TTIP darf den Gestaltungsspielraum der Kommunen bei der öffentlichen Daseinsvorsorge in Deutschland nicht in Frage stellen. Die Kommunen dürfen durch TTIP ebenso nicht verpflichtet werden, Dienstleistungen der Daseinsvorsorge unter strengeren Bedingungen als im europäischen Vergaberecht vorgesehen auszuschreiben. Dies ist beispielsweise im CETA-Abkommen sichergestellt. Das Abkommen enthält keine Ausschreibungspflichten, die über das EU-Recht hin- ausgehen [Kapitel „Government Procurement“, S. 308, Art. II Abs. 4 e) und g), die auf Annex X-05 und X-07 verweisen.].
Konkret heißt das:
 Die Kommunen behalten mit TTIP ihre bestehenden Spielräume in allen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge – also z. B. der Organisation der Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung, im öffentlichen Nahverkehr, bei der Müllabfuhr und der Abwasserbeseitigung.
 Kommunen können weiterhin Bildungs- und Kultureinrichtungen, Krankenhäuser, Friedhöfe und Bäder betreiben und finanzieren.
 Das öffentliche Bildungssystem (Schulen, Universitäten, Volkshochschulen etc.) wird nicht angetastet. Private Einrichtungen, mit oder ohne staatliche Unterstützung, sind auch weiterhin zulässig. Allerdings unterliegen sie auch wie bisher den deutschen Qualitäts- und Akkreditierungsstandards. Im CETA-Abkommen ergibt sich dies aus dem Vorbehalt auf S. 1508.
 Im Sozialbereich können weiterhin gemeinnützige Einrichtungen gefördert werden.
 Subventionen im Dienstleistungsbereich – also Förderinstrumente und bestehende Förderstrukturen – können beibehalten werden. Auch Mischfinanzierungen mit einem Anteil staatlicher Unterstützung bleiben möglich. Im CETA-Abkommen ist dies in Art. X.14 Ziffer 5.b) auf Seite 163 und in Art. X-01, Ziffer 2.b) auf Seite 189 klargestellt.
 Telekommunikationsanbieter und Postdienstleister dürfen auch mit TTIP weiterhin vom Staat privilegiert werden, wenn sie bestimmte Leistungen der Grundversorgung (sogenannte Universaldienste) erbringen. [CETA/Kapitel „Telecommunications“, S. 286, Art. X.7 sowie Annex I, S. 1209]
„CETA und TTIP machen Rekommunalisierung unmöglich.“
Fakt ist: CETA enthält keine Verpflichtungen im Bereich der Daseinsvorsorge, die Rekommunalisierungen erschweren. Dies wird auch für TTIP gelten.
Rechtstechnisch wird dies durch Vorbehalte (genauer durch Annex-II-Vorbehalte) erreicht. Diese Vorbehalte (der EU und zahlreicher Mitgliedstaaten, auch von Deutschland), sind bereits im Abkommenstext enthalten. Sie müssen nicht erst noch „eingelegt“ werden. Der Vorbehalt zur Daseinsvorsorge im sogenannten Annex II ermöglicht auch die Rücknahme von Liberalisierungen in der Zukunft (keine Geltung der sogenannten Ratchet-Klausel). Für den Bereich der Daseinsvorsorge bleibt auch die Möglichkeit zur Rekommunalisierung von Dienstleistungen bestehen.
In CETA ist dies ausdrücklich geregelt – der maßgebliche Vorbehalt gegen Marktöffnungsverpflichtungen zur Daseins- vorsorge erlaubt auch neue Beschränkungen für die Zukunft [Kapitel “Investment”, Art. X.14 2., S. 162; „Cross-border trade in Services”, Art. X-06 2., S. 191 iVm EU-Annex II zum Dienstleistungskapitel; Seite 1500ff.].

Richtigstellung Daseinsvorsorge
Der „besondere Schutz“ und die Wahrung der „hohen Qualität der öffentlichen Versorgung sind wenig glaubwürdig angesichts des Verhandlungsauftrags einer „ehrgeizigen Liberalisierung“. Ein wichtiger Liberalisierungstreiber ist die EU: Immer wieder hat sie in der Vergangenheit versucht, über Richtlinien Vorgaben für die nationale Gesetzgebung zu schaffen, die weitere Liberalisierung und Privatisierung von kommunalen Dienstleistungen erzwingen oder mindestens fördern. Daher macht das BMWi den Bock zum Gärtner, wenn die Sicherung der „hohe(n) Qualität der öffentlichen Versorgung in der EU" an die Vorgaben der EU gebunden wird. Dazu passt der erste (noch fehlgeschlagenen) Angriff auf das Wasserrecht (Right2water), der durch die konservativen Fraktionen im EU-Parlament bereits am 7./8.09.2015 gestartet wurde.
Die "Spielräume" der Kommunen bei der öffentlichen Daseinsvorsorge schwinden bereits durch gesenkte Schwellenwerte für die Ausschreibung öffentlicher Aufträge. Forderungen der kommunalen Auftragsvergabe, wie Tariftreue- und Nachhaltigkeitsanforderungen, lokale Entwicklung oder Verwendung lokaler Produkte in Schulmensen, dürfen mit TTIP und CETA nicht mehr gestellt werden. Und die bestehende Privilegierung kleiner und mittlerer Unternehmen würde ausgehebelt. Kommunen verlieren mit TTIP und CETA ihre Spielräume in allen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge – also z.B. der Organisation der Gas-, Wasser- , Elektrizitäts-versorgung, im öffentlichen Nahverkehr, bei der Müllabfuhr und der Abwasserbeseitigung.
Kommunale Gebietskörperschaften haben verfassungsrechtlich gesicherte Aufgaben der Selbstverwaltung (Subsidiarprinzip). Dieses Recht, Angelegenheiten der Daseinsvorsorge selbständig zu verwalten, ist wesentlich durch Negativlisten in Frage gestellt. Sie benennen die Öffentlichen Dienste – und nur die, die den Kommunen vorbehalten bleiben. In Zukunft erforderliche oder wünschenswerte neue Öffentliche Dienste und solche, die bei Vertragsabschluss übersehen worden sind, können nur noch im Einverständnis mit den USA in die Negativliste aufgenommen, und damit von der Liberalisierung ausgenommen werden.
Der Public-Utilities-Vorbehalt im CETA, der öffentliche Dienstleistungen schützen soll, ist unzureichend, da er sich nur auf Marktzugangsregeln aber nicht auf Inländerbehandlung, Meistbegünstigung und Investitionsschutzstandards bezieht. Für Fritz folgt daraus, dass „ein Dienstleister im Bereich der Abfallwirtschaft, der in Deutschland schon einmal Marktzugang erhalten hat, ... die CETA-Regeln zur Inländerbehandlung in Anspruch nehmen“ kann, wenn er sich diskriminiert fühlt (Fritz 2015, 32). Eine (Re-)Kommunalisierung könnte als eine solche Diskriminierung interpretiert werden, und Investitionen, die in Ausblick auf die Dienstleistungserstellung getätigt wurden, unter Investitionsschutz fallen. Für Henn (2015) könnte deshalb mit CETA selbst für den in der EU eigentlich geschützten Bereich der Wasserversorgung „in bestimmten Konstellationen eine Liberalisierung forciert werden“ (Henn in: Powershift 2014, 8), wie es bereits schon einmal versucht wurde.
Außerdem gelte er nur für Monopole und die wenigen Bereiche, denen beispielsweise den Kommunen vom Staat ein ausschließliches Recht zur Erbringung verliehen wurde. Zudem sind durch die Regelung zu Subventionen staatliche Ausgleichszahlungen für gemeinnützige Unternehmen angreifbar (Fritz 2015, 44). Sensible öffentliche Sektoren, wie Bildung, Wasserversorgung, Gesundheit, soziale Absicherung und Altenpflege können also leicht zum Ziel aller möglichen Investorenklagen werden (Arbeiterkammer Wien, 10/2015). Angreifbar sind auch mischfinanzierte Bildungs-, Gesundheits- und soziale Dienste. So könnten VHS-Sprachkurse der Nichtdiskriminierungspflicht des Handelsvertrags unterliegen. Unzutreffend ist also auch die Behauptung, dass Rekommunalisierungen auch in Zukunft nicht behindert werden. So enthält CETA z.B. keine Klausel zu Schutz für die mögliche Rekommunalisierung von örtlichen Strom- und Gasnetzen.
Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass zur Daseinsvorsorge sehr viele unpräzise und komplexe Regelungen mit etlichen Ausnahmen und Besonderheiten vorliegen. Von Juristen wird erwartet, dass die Regelungen angreifbar sind und zu ISDS-Schadensersatzforderungen führen werden. Die Behauptungen des BMWi zu diesem Thema sind nicht schlüssig. Der einleitende Satz „TTIP bedroht die öffentliche Daseinsvorsorge, es öffnet Privatisierungen Tür und Tor“ wird in keiner Weise widerlegt.

Wasserversorgung
„TTIP öffnet die Tür für Privatisierungen im Bereich der Wasserversorgung oder Abwasserdienstleistungen!“
Fakt ist: Die Trinkwasserversorgung gehört zu den klassischen Bereichen der kommunalen Daseinsvorsorge – und wird damit nicht von TTIP berührt. Es gibt keine Marktöffnung im Wassersektor.
Das heißt: Die Spielräume der deutschen Kommunen im Bereich der Wasserversorgung werden durch TTIP nicht eingeschränkt. Im CETA-Abkommen ist dies durch den speziellen Vorbehalt auf Seite S. 1502/1503 klargestellt.
In diesem Bereich kommen auch keine neuen Ausschreibungspflichten auf die Kommunen zu: Die Ausnahme für Trinkwasserversorgung in der EU-Konzessionsrichtlinie wird durch TTIP nicht in Frage gestellt.

Richtigstellung Wasserversorgung
Da TTIP generell Investitionen „auf der Grundlage des höchsten Liberalisierungsniveaus“ sichern soll, sind prinzipiell alle Dienstleistungen, auch kommunale Trinkwasserversorgung, von TTIP betroffen. Um das abzuwehren, hatte das EU-Parlament extra gefordert, dass „Dienstleistungen [wie die] Wasserversorgung … vom Anwendungsbereich der TTIP ausgeklammert werden“ sollen.“
Bei CETA ist für die EU im Bereich Wasserversorger der freie Marktzugang und die Gleichbehandlung mit Inländern ausgenommen. Das Meistbegünstigungsprinzip und die Investitionsschutzstandards werden dagegen bei CETA sehr wohl auf die Wasserversorger sowie die gesamte Abwasserbeseitigung angewandt. Somit können Unternehmen, die bereits in der Wasserversorgung tätig sind, Klagen aufgrund „indirekter Enteignung“ oder fehlender „gerechter Behandlung“ anstrengen.
Konkret schreibt CETA vor: Bundesbehörden und -ministerien müssen im Bereich Trinkwasser Beschaffung von Waren und Dienstleistungen ab einem Wert von 400.000 SZR (= am 11.9.2015: 507.000 €) gegenüber kanadischen Bietern ausschreiben, Baumaßnahmen in Wasserwerken ab 5 Millionen SZR.

Verbraucherschutz
"TTIP weicht die hohen deutschen und europäischen Standards beim Verbraucherschutz auf!“
Fakt ist: Das Verhandlungsmandat gibt hier glasklare Vorgaben: Bei keinem der Themen, über die bei TTIP verhandelt wird, steht das bestehende Verbraucherschutzniveau zur Disposition. Die EU wird keines ihrer grundlegenden Gesetze zum Schutz von Menschen, Tieren oder Umwelt aufheben.
Bei den Verhandlungen geht es nicht darum, die beiderseits des Atlantiks geltenden Standards gegenseitig zu unterbieten. Die jeweils geltenden Regelungen sollen aber kompatibler werden. Dies bedeutet jedoch nicht, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu suchen, sondern unnötige Unterschiede zu identifizieren und aus dem Weg zu räumen.
Jede Seite behält weiterhin das Recht, ihr angemessenes Schutzniveau selbst festzulegen und in diesem Rahmen Umwelt-, Verbraucher-, Sicherheits- und Gesundheitsangelegenheiten so zu regeln, wie sie es für angebracht hält. Dies ist auch entsprechend im CETA-Abkommen mit Kanada geregelt. Die Präambel im CETA-Abkommen bekräftigt das Recht der Vertragsparteien, Regelungen zur Verfolgung legitimer Politikziele zu ergreifen.
Auch zu finden in: CETA Kapitel 26, Art. X.2 zur regulatorischen Kooperation, wonach jede Seite das Recht behält, ihre „regulatory, legislative and policy“ measures auszuführen (S. 396)

Richtigstellung Verbraucherschutz
Hier wird mit vagen Begriffen versucht zu suggerieren, der Verbraucherschutz werde nicht angetastet. Aber was sind „grundlegende Gesetze zum Schutz von Menschen, Tieren, und Umwelt" konkret? Was bedeutet „kompatibler"? Wer legt fest, was ein „unnötiger Unterschied" ist?
Und was ist, wenn ein Verbraucherschutzstandard aus Sicht der Wirtschaft verschärfend formuliert wird, und ein Unternehmen dagegen vor dem Schiedsgericht klagt, weil dadurch seine „legitimen Gewinnerwartungen" beeinträchtigt werden?
Laut Verhandlungsmandat ist ein wesentliches Ziel von TTIP und CETA, die Exportmöglichkeiten für beide Seiten zu verbessern. Da die Zölle bereits ein sehr niedriges Durchschnittsniveau haben, ist dies nur durch Senkung nicht-tarifärer Handelshemmnisse wie z.B. Verbraucherschutzvorschriften erreichbar. Dadurch sollen laut einer IFO- Studie, die 2014 im Auftrag der Bundesregierung erstellt wurde, 80% des erwarteten Handelszuwachses erreicht werden. Alle Beschwörungen, diese Standards nicht anzutasten, sind daher nicht glaubwürdig.
Ein für den Verbraucherschutz in der EU maßgebliches Prinzip ist das Vorsorgeprinzip: Produkte dürfen nicht zugelassen werden, wenn ein begründeter Verdacht besteht, dass sie für Mensch oder Natur Schäden verursachen. In den USA dürfen Produkte so lange vermarktet werden, wie nicht wissenschaftlich eindeutig erwiesen ist, dass sie Schäden verursachen (science-based Prinzip). Das führt zu sehr langen Zeiträumen, in denen zum Beispiel gefährliche Pestizide vermarktet werden können, so lange dieser Beweis noch nicht geführt werden konnte oder durch Gegengutachten immer wieder in Frage gestellt wird.
US-Branchen wie die einflussreiche Agrarindustrie oder die Chemieindustrie verfolgen klar das Ziel, das europäische Vorsorgeprinzip und die strengen Vorschriften des europäischen Chemieabkommens REACH zu kippen. Dadurch können Pestizide oder Chemische Produkte in die EU exportiert werden, die bisher verboten waren. Marktzulassungskosten und Einführungszeiten für solche Produkte können radikal gesenkt werden. Das sind Ziele, die schon immer von beiden Seiten als unverzichtbar ausgesprochen wurden.
Aber auch das Einhalten heutiger Standards reicht nicht aus, um heute noch nicht bekannten erfahren in Zukunft begegnen zu können. Denn TTIP und CETA fesseln die Politik der EU-Staaten und der USA, weil mit TTIP und CETA Standards nach Vertragsabschluss nur mit Einverständnis des Vertragspartners geändert werden können; eine autonome Politik ist damit nicht mehr möglich.

Fleischimporte
„Durch TTIP gelangen ‚Hormonfleisch‘ und ‚Chlorhühnchen‘ aus den USA auf den deutschen Markt.“
Fakt ist: Fleischimporte aus den USA sind nur dann möglich, wenn sie den umfangreichen europäischen Standards im Bereich des Lebensmittelrechts, des Lebensmittelhygiene- und Fleischhygienerechts sowie den EU-Vorschriften zu Arzneimitteln gerecht werden.
Daran ändert sich durch TTIP nichts.
Daher wird der Import von mit Wachstumshormonen behandeltem Fleisch verboten bleiben. Grundsätzlich gilt bei der Fleischerzeugung weiterhin, dass Hygienestandards eingehalten werden müssen und nur Stoffe zugelassen werden, die sowohl gesundheitlich als auch ökologisch unbedenklich sind.

Richtigstellung Fleischimporte
Gerade im Lebensmittelbereich bestehen starke Interessen der US-Agroindustrie an der Beseitigung der bestehenden europäischen Standards, die sie als Handelshemmnisse bezeichnet. Da etwa 90% der Rindfleischproduktion in den USA von Tieren stammen, die mit Wachstumshormonen behandelt wurden, ist bei dem aktuell bestehenden Verbot dieser Hormone der Export nach Deutschland nicht möglich. Ähnliches gilt für die Vergabe von Antibiotika als Wachstumsförderer und für die Nutzung von Ractopamin bei der Schweinezucht. Hormon- und Antibiotikabelastung des Fleischs verursachen erhebliche gesundheitliche Probleme für Menschen. In einer Studie der TU-München von 1999 wurde 5-fach höhere Hormonwerte durch den Verzehr hormonbelasteter Lebensmittel festgestellt. Dadurch können besonders bei Menschen mit schwacher Hormonproduktion körperliche Fehlentwicklungen auftreten. Ractopamin verstößt wegen grausamer Auswirkungen auf die Tiergesundheit durch Stressausschüttungen, die bis zum Tode führen können, gegen den Grundsatz das Tierwohl zu beachten.
Für die US-Fleischlobby stellen diese Folgewirkungen jedoch keine wissenschaftliche Rechtfertigung dar und sind damit aus ihrer Sicht kein Grund für ein Verbot. Diese Haltung entspricht dem Prinzip der wissenschaftlich-basierten Verbotsgrundlage (s.o.). In der EU gilt dagegen das Vorsorgeprinzip, das bereits begründete Risiken als Verbotsgrundlage anerkennt. Vertreter der US-Agrarlobby haben mehrfach betont, dass das Vorsorgeprinzip mit TTIP unbedingt abgeschafft werden muss.
Es ist sehr fraglich, ob die EU dem starken Druck der amerikanischen Unterhändler in diesen Fragen standhalten wird. Was vom BMWi als Fakt bezeichnet wird, ist also bestenfalls eine Zielsetzung, deren Durchsetzung gegen die starken Interessen der USA in den Sternen steht.
Schließlich könnten US-Fleischproduzenten gegen Verschärfungen der heutigen EU-Standards, die nach dem Inkrafttreten von TTIP beschlossen würden, im Rahmen der ISDS-Schiedsgerichte auf Schadensersatz wegen entgangener Gewinne und Gewinnerwartungen klagen. Alleine durch diese Bedrohung wird der zukünftige politische Spielraum erheblich eingeschränkt.

Genfood
„TTIP öffnet den europäischen Markt für gentechnisch veränderte Lebensmittel (‚Genmais‘).“
Fakt ist: Die bereits bestehenden strengen EU-Rechtsvorschriften zu gentechnisch veränderten Organismen werden durch TTIP nicht geändert.
Bereits heute können gentechnisch veränderte Organismen, die als Nahrungsmittel, Futtermittel oder Saatgut zugelassen sind, in der EU verkauft werden. Für gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel gibt es hierfür derzeit
68 EU-Zulassungen. Die derzeit bestehenden Anforderungen für die Zulassung und Kennzeichnungspflichten werden durch TTIP nicht in Frage gestellt. Auch das CETA-Abkommen hat diese Regelungen nicht aufgehoben.

Richtigstellung Genfood
Selbst wenn die EU-Kommission fest darauf bestehen sollte, die strengen EU-Rechtsvorschriften zu gentechnisch veränderten Organismen (GVO) nicht zu ändern, ist es sehr zweifelhaft, ob sie dieses Ziel durchsetzen kann. Ein Blick in den CETA-Vertrag zeigt auf S.450, dass für den Bereich der Biotechnik, unter den die GVO fallen, das Vorsorgeprinzip ausgeschlossen und das in Kanada und den USA angewendete „science-based“ Prinzip – also erst den Schaden abwarten, dann den wissenschaftlichen Beweis der Verursachung durch ein bestimmtes Produkt erbringen – explizit als einziges zu verwendendes Prinzip verankert wird.
Für die USA gelten genmanipulierte Pflanzen offiziell als „im Wesentlichen gleichwertig“ („substantially equivalent“) mit konventionellen Pflanzen. Ein ehemaliger Vorstand eines großen deutschen Chemie-Konzerns meinte, Europa könne sich „die Anwendung des Vorsorgeprinzips nicht mehr länger leisten“. Bei so heftigem Gegenwind aus Europa stellt sich auch für TTIP die Frage, ob sich die EU-Kommission in dieser Frage wirklich durchsetzen will. Sie wird es bei TTIP ohnehin kaum können, da sie gegenüber Kanada im CETA-Vertrag dieses Zugeständnis bereits gemacht hat.
Die Aufweichung des Gentechnikverbots hat mit CETA bereits begonnen. Die USA wird nicht zulassen, dass der TTIP-Vertrag dahinter zurückbleibt.

Biolabel
„TTIP weicht geltende Standards für Lebensmittel aus ökologischem Anbau (EU-Biolabel) zugunsten internationaler Wettbewerbsfähigkeit und harmonisierter Standards auf!“
Fakt ist: Bei Lebensmitteln aus ökologischem Anbau gibt es bereits seit längerem ein Äquivalenzabkommen mit den USA, das garantiert, dass die EU-Bio-Standards erhalten bleiben.
Es ist nicht beabsichtigt diese Vereinbarungen durch TTIP zu ändern.

Richtigstellung Biolabel
Ja, seit 2012 gibt es das Öko-Äquivalenzabkommen zwischen den USA und der EU, in dem sie sich geeinigt haben, ihre Produktionsstandard gegenseitig anzuerkennen. Es gibt nur zwei Ausnahmen. Erstens ist es in der EU erlaubt, in der Biotierhaltung im Krankheitsfall Antibiotika zu verwenden, in den USA nicht. Und zweitens sind in den USA Antibiotika zur Bekämpfung der Obstbaumkrankheit Feuerbrand erlaubt, in der EU nicht.
Dennoch gilt auch hier der Generalverdacht, dass Standards im Zuge des „Verhandlungs-Kuhhandels“ für Vorteile an anderer Stelle geopfert werden.

Regionale Spezialitäten
„Mit TTIP können US-Unternehmen geschützte, regionale Spezialitäten wie Lübecker Marzipan, Schwarzwälder Schinken oder Aachener Printen herstellen und nach Deutschland einführen.“
Fakt ist: In den TTIP-Verhandlungen steht eine Modifizierung des Schutzes geografischer Herkunftsangaben für regionale Spezialitäten nicht zur Debatte. Klar ist vielmehr: Der Schutz in der EU bleibt unangetastet. Verhandlungen werden nur geführt mit dem Ziel, den Schutz, den das EU-Recht bietet, auf den amerikanischen Markt auszudehnen. Mit anderen Worten: Es geht ausschließlich um eine Verbesserung des Schutzes. Einfuhren amerikanischer Produkte unter geschützten europäischen Herkunftsbezeichnungen werden also auch künftig nicht möglich sein.
Eine Ausdehnung des EU-Schutzes auf den US-Markt eröffnet kleinen und mittelständischen Unternehmen aus der EU neue Absatzmöglichkeiten in den USA, wenn geschützte europäische Herkunftsbezeichnungen von US-Herstellern für ihre Produkte auch in den USA nicht verwendet werden dürfen.

Richtigstellung Regionale Spezialitäten
Das BMWi behauptet, Verhandlungen würden nur geführt, um den Schutz auszudehnen. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt sagte jedoch im Januar 2015: "Wenn wir die Chancen eines freien Handels mit dem riesigen amerikanischen Markt nutzen wollen, können wir nicht mehr jede Wurst und jeden Käse als Spezialität schützen". D.h. es wird Opfer geben, sollte TTIP verabschiedet werden, und ob neuen Anträgen auf Schutz stattgegeben wird, ist fraglich. Laut Schmidt seien die geltenden EU-Regeln „sehr bürokratisch", zudem würden in der EU auch solche Spezialitäten geschützt, deren Basiszutaten nicht mehr in der Heimatregion hergestellt würden. Er sagt: "Es wäre unseren amerikanischen Handelspartnern schwer vermittelbar, dass sie keinen Tiroler Speck oder Holländischen Gouda zu uns exportieren dürfen, wenn wir in Europa selbst den Schutz nicht konsequent durchsetzen würden". Die Ausdehnung des EU-Schutzes auf den US-Markt scheint also höchst unwahrscheinlich, Einfuhren aus den USA unter europäischen „geschützten“ Herkunftsbezeichnungen umso wahrscheinlicher.
Laut Bundesministerium für Entwicklung und Landwirtschaft sind all diese Produkte durch die Siegel „besonders geschützt“ – einen ausreichenden Schutz bietet jedoch nur die „Geschützte Ursprungsbezeichnung“. Sie besagt, dass die Erzeugung, Verarbeitung und Herstellung in einem bestimmten geografischen Gebiet nach einem anerkannten und festgelegten Verfahren erfolgen muss. Diesem EU-Schutz unterliegen jedoch nur elf deutsche Produkte. Als „Geschützte geographische Angabe“ werden 72 Produkte bei der EU geführt, wobei hier lediglich nur mindestens eine Produktionsstufe in der Region durchgeführt werden muss. Keineswegs sicher ist zudem, dass diese Produkte nicht auf den Verhandlungstisch kommen, wenn EU-Kommissionssprecher Gabriel Rosario sagt: "Wir werden sehen, welche der in Europa geschützten Regional- und Traditionsprodukte wir tatsächlich in die Verhandlungen einbringen."
Alle regionalen Spezialitäten, die sich gut verkaufen, laufen also das Risiko, den immerhin geringen Schutz, der über Jahrzehnte aufgebaut wurde, vollständig zu verlieren. Zudem besteht nach einem Vertragsabschluss auch bei der Registrierung einer neuen regionalen Spezialität bei der EU das Risiko von Investor-Staat-Klagen wegen „Diskriminierung“.

Arzneimittel
„Durch TTIP werden in den USA zugelassene Medikamente auch automatisch in der EU zugelassen.“
Fakt ist: Über die Zulassungen zum Beispiel von US-amerikanischen Arzneimitteln auch in Europa wird bei TTIP nicht verhandelt.

Richtigstellung Arzneimittel
„Nach derzeitigem Kenntnisstand wird im Arzneimittelbereich keine gegenseitige Anerkennung von Zulassungsentscheidungen vorgeschlagen“, antwortete Brigitte Zypries (SPD), parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Ende September 2015 auf eine Anfrage der Linken. Dass EU-Staaten wegen TTIP künftig möglicherweise Medikamente zulassen müssen, nur weil sie in den USA bereits auf dem Markt sind, halte sie für nicht wahrscheinlich. Sie könne sich nicht vorstellen, dass daraus Auswirkungen auf das in Deutschland geltende Verfahren der Frühen Nutzenbewertung zu erwarten seien (Pharmazeutische Zeitung 12/2014).
Dieser Punkt scheint demnach in den Verhandlungen noch nicht abgeschlossen zu sein. Sollte eine gegenseitige Anerkennung als Ergebnis der Verhandlungen herauskommen, würde die Zulassung eines in USA zugelassenen Arzneimittels automatisch seine Zulassung in der EU bedeuten. Das steht im Gegensatz zu der obigen Fakten-Behauptung des BMWI.
Bei den Verhandlungen geht es aber um noch ganz andere Wünsche der Pharma-Lobby in den USA (u.a. die Biotechnology Industry Organisation BIO und die US-Pharmavereinigung PhRMA) und in der EU, um sich gegen die Konkurrenz durch Generika aus der EU, den USA und Drittländern zu schützen. Denn zum einen wird gefordert, den Patentschutz eines Medikaments deutlich zu verlängern, und um zum andern sollen die Daten aus den Zulassungstests der Originalmedikamente nicht weiter verwendet werden dürfen („Testdatenexklusivität“). Das würde für die Anbieter von Generika bedeuten, ihre Produkte für eine Zulassung vollständig neu testen zu müssen, was für sie kaum zu leisten ist.
Diese Regelungen, die auch für Drittländer gelten sollen, würden es sehr erschweren, Kosten für Medikamente durch Generika zu senken. Ein Fall wie 2012, als einem indischen Generikahersteller eine Zwangslizenz zugesprochen wurde, um eine billige generische Version des patentgeschützten Bayer-Krebsmedikaments Nexavar herzustellen, wodurch der Preis von über 5000 US-Dollar für eine Monatsdosis auf nur noch 160 US-Dollar fiele, wäre nicht mehr möglich (Patralekha Chatterjee: India’s first compulsory licence upheld, but legal fights likely to continue. Intellectual Property Watch, 4.3.2013) .
Die Pharma-Lobby fordert darüber hinaus, doppelte Zulassungstests abzubauen. Diese auf den ersten Blick vernünftige Maßnahme erweist sich als sehr fragwürdig, denn Preise für Medikamente ergeben sich in der EU und den USA auf unterschiedliche Weise. „In Europa herrscht ein deutlich größerer Kostendruck“, erklärt Afschin Gandjour, Professor für Gesundheitsökonomie an der Frankfurt School of Finance (WiWo 19.6.2015). Der Grund dafür ist, dass in Europa die Kassen höhere Preise für neue Medikamente nur erstatten, wenn deren Mehrnutzen in speziellen Studien erwiesen ist. In den USA bestimmt dagegen der Markt die Preise. Werden die Zulassungen der USA anerkannt, müssen die Kassen in Europa dafür höhere Erstattungen leisten, auch wenn nicht sichergestellt ist, ob das Medikament eine bessere Wirksamkeit bietet.
Die öffentlichen Gesundheitskosten würden steigen zu Gunsten ungerechtfertigter höherer Gewinne der Pharma-Unternehmen.

Nachhaltigkeit
„Durch TTIP werden Nachhaltigkeits- und Umweltaspekte zugunsten des Handels benachteiligt.“
Fakt ist: Das Gegenteil trifft zu: Die EU-Handelspolitik soll zur nachhaltigen Entwicklung beitragen.
In einem eigenen Nachhaltigkeitskapitel sollen konkrete Maßnahmen wie zum Beispiel die Förderung des Handels mit umweltfreundlichen, energie- und ressourceneffizienten Waren, Technologien oder ein umweltbewusstes öffentliches Beschaffungswesen verankert werden, Ziff. 31 des Verhandlungsmandats. Im CETA-Abkommen sind dazu ausführliche Vereinbarungen im Nachhaltigkeitskapitel ab Seite S. 371 und im Umweltkapitel ab S. 385 enthalten.
Die Durchsetzung des innerstaatlichen und internationalen Arbeits- und Umweltrechts soll insgesamt verbessert werden und neue Standards für künftige Freihandelsabkommen gesetzt werden.

Richtigstellung Nachhaltigkeit
Die Ausführungen zur Nachhaltigkeit sind sowohl im TTIP Verhandlungsmandat als auch im CETA-Vertragstext im Stil von Absichtserklärungen gehalten ohne konkrete Handlungsfelder zu nennen. Klimaverbände und NGOs haben folgende Kernpunkte für nachhaltiges Handeln aufgestellt:
1. Überwindung extremer Armut und Bekämpfung der Ungleichheit.
2. Gerechtigkeit und menschenwürdiges Leben.
3. Funktionierende Ökosysteme und nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen.
4. Bekämpfung des Hungers und Ernährungssouveränität.
5. Verantwortungsvolle Regierungsführung.
6. Frieden und menschliche Sicherheit.
7. Nachhaltiges Wirtschaften.
8. Gerechte Umsetzung und ausreichende Nachhaltigkeitsfinanzierung.
Warum kommen diese Punkte im Verhandlungsmandat und im CETA-Vertragstext nicht vor?
Beide Dokumente enthalten keinerlei Sanktionsmechanismen zum Thema Nachhaltigkeit. Es ist daher nicht zu ersehen, mit welchen Mitteln die „Durchsetzung des ... Arbeits- und Umweltrechts“ verbessert werden soll, wie es das BMWi hier als Fakt formuliert.
Im Gegenteil sehen wir im CETA-Text: Durch die Liberalisierung der Dienstleistungen und die Deregulierung des öffentlichen Beschaffungswesen werden Grundsätze des freien Wettbewerbs in den Vordergrund gestellt und nicht Nachhaltigkeit und Umweltaspekte. Die Anwendung des Prinzips der Negativliste schützt nur Bereiche vor Liberalisierung, die dort aufgeführt sind. Die Aufnahme zusätzlicher Bereiche in die Liste kann nur im Einvernehmen mit den USA bzw. Kanada erfolgen.
Über die ISDS-Klauseln des Investitionsschutzes können Schadensersatzklagen auf entgangene Gewinne gegen den Staat mit der Begründung einer „nicht fairen und gerechten Behandlung“ und „indirekten Enteignung" erhoben werden.
Die Einrichtung eines eigenen Kapitels für Nachhaltigkeit alleine reicht nicht aus. Es müssen konkrete Standards sowie Sanktionen zu deren Durchsetzung im Vertragstext fixiert werden.
In der Anhörung des interfraktionell arbeitende Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung (PBNE) vom 28. Januar 2015 wurde deutlich, dass diese Forderung nicht erfüllt ist: Der Vertreter der EU-Handelskommission gestand ein, dass die europäischen Standards sehr wohl hart umkämpfte Verhandlungsmasse und als solche gefährdet seien. Die Kommission musste zugeben, es sei „nicht einfach, die Dinge zu verhandeln, die wir wollen", und dass sie nicht einmal ernsthaft über das Sichern der europäischen Standards verhandelt habe. „Damit hat die Kommission die europäischen Standards bereits aufgegeben", so der Berichterstatter der grünen Bundestagsfraktion für TTIP im PBNE, Harald Ebner.

Datenschutz
„Der europäische Datenschutz wird durch TTIP ausgehebelt – es droht eine noch umfassendere Überwachung und Gängelung von Internetnutzern.“
Fakt ist: Die bestehenden und auch die künftigen Datenschutzstandards in Deutschland und der EU stehen nicht zur Disposition. Regelungen zum Schutz personenbezogener Daten sind kein unzulässiges Handelshemmnis im Sinne des geplanten TTIP-Abkommens.
Allgemeine Regeln zum Datenschutz werden nicht im Rahmen von TTIP, sondern in anderen Foren, z. B. in den Verhandlungen zur Datenschutzgrundverordnung innerhalb der EU und zum sogenannten „Safe Harbor“ zwischen der EU und den USA diskutiert.
Im TTIP sind allenfalls Regelungen zu handelsrelevanten Einzelfragen denkbar (z. B. Datentransfers im Finanzbereich) – diese dürfen das Datenschutzrecht aber keinesfalls aushebeln.

Richtigstellung Datenschutz
Die USA bestehen darauf, dass Daten Waren sind und in einem Freihandelsabkommen der freie Datenfluss nicht behindert werden darf. Auch Datenschutzbestimmungen dürfen nach US-Ansicht den freien Datenfluss nicht behindern, jedes Unternehmen sei natürlich verpflichtet, die jeweiligen lokalen Datenschutzgesetze zu beachten, aber mehr nicht. Das bisherige „Safe Harbor“-Abkommen, mit dem sich die US-Konzerne verpflichten, bei der Speicherung und Verarbeitung von Daten europäischer Bürger in den USA europäische Gesetze zu beachten, würde damit hinfällig. Es hat in der Praxis sowieso nicht funktioniert, und der EuGH erklärte „Safe Harbour“ im September 2015 wegen Missachtung der Privatsphäre für illegal.
Noch könnte die EU den unkontrollierten Datenfluss unterbinden, wenn sie das endlich ernst nehmen und daraus Konsequenzen ziehen würde. (TTIP: Der Stand nach der 10. Verhandlungsrunde, Juli 2015)
Da in den USA der Schutz von Firmen- und Kundendaten einen geringeren Stellenwert besitzt, verlangt der EU-Entwurf des TTIP-Kapitels über „Investitionen und Dienstleistungen“ in Artikel 56, dass die Vertragsparteien Finanzdienstleistern den grenzüberschreitenden Transfer von Informationen zu Datenverarbeitungszwecken erlauben sollen. Mit TTIP würden somit Profite aus dem Handel mit personenbezogenen Daten über den Datenschutz gestellt werden. Obendrein weisen die Amerikaner genüsslich drauf hin, dass die Kommission unter de Gucht im Freihandelsabkommen EU-Südkorea den widerstrebenden Koreanern genau solche Klauseln aufgezwungen hat.
TTIP droht, dem transatlantischen Datenschutz erhebliche Hürden in den Weg zu legen.

Kultur
„TTIP bedeutet das Ende der Kultur in Europa – denn es gefährdet die staatliche Förderung von Theatern und Museen.“
Fakt ist: Das TTIP-Verhandlungsmandat sieht vor: TTIP darf keine Bestimmungen enthalten, die die kulturelle und sprachliche Vielfalt in der Union oder in ihren Mitgliedstaaten beeinträchtigen, Ziff. 9 des Verhandlungsmandats.
Europäische Kulturförderung oder die Buchpreisbindung, öffentlich-rechtlicher Rundfunk, Jugendschutz und Meinungsvielfalt stehen durch TTIP nicht zur Disposition.
Die öffentliche Finanzierung der Kulturlandschaft in Deutschland, z.B. für Theater, Museen, Opern, ist in allen Handelsabkommen der EU abgesichert worden. Dies wird auch bei TTIP der Fall sein.
Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass im Kulturbereich keine zusätzlichen Verpflichtungen für Deutschland bzw. für die EU vereinbart werden, die über bestehende Verpflichtungen im Dienstleistungsabkommen der WTO (GATS) von 1995 hinausgehen. Im CETA-Abkommen ist – wie auch in anderen Handelsabkommen der EU – die Möglichkeit zur Förderung von Dienstleistungen durch Subventionen vorgesehen ( Art. X.14 Ziffer 5.b) auf Seite 163 und in Art. X-01, Ziffer 2.b) auf Seite 189).

Richtigstellung Kultur
Die Bundesregierung wollte die Kultur komplett auf dem Verhandlungstisch lassen, trotz Protesten aus den Ländern und Kommunen sowie dem Deutschen Kulturrat. Dass der Kulturbereich nicht vollständig ausgeschlossen wurde, macht ihn schon zur Verhandlungsmasse. Da die Subventionen im kulturellen Bereich aus der Sicht von US-amerikanische Unternehmen eine Wettbewerbsverzerrung darstellt, können sie auf Gleichbehandlung klagen. Damit würden sie ebenfalls Zugang zu Subventionen erreichen – oder die Subventionen würden eingestellt, um alle Institutionen gleich zu behandeln. Wenn es zu einer Einstellung von Subventionen für unsere Theater, Museen, Bibliotheken, Volks- und Musikschulen käme, müssten Einrichtungen schließen, ein flächendeckender leichter Zugang für Bürger wäre nicht mehr gewährleistet und Eintrittspreise, Kursgebühren oder Leseausweise verteuerten sich deutlich.
Auch das neue Positionspapier der Bundesregierung vom 07.10.2015 ist zunächst eine Absichtserklärung, die zeigt, dass die Sorgen der Kulturschaffenden ernst genommen werden. Was von diesem Papier in den Verhandlungen umgesetzt werden kann, wird sich zeigen. Die europäische Kommission hat die EU-Mitgliedsstaaten bereits hinsichtlich ihrer potentiellen Flexibilitäten im Hinblick auf die US-Anfrage nach Bildungsdienstleistungen befragt.

Rundfunk
„TTIP gefährdet den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland.“
Fakt ist: Der Bereich der sogenannten „audiovisuellen Dienstleistungen“ – gemeint sind u. a. Rundfunk und Fernsehen – ist nicht von TTIP erfasst. Hier wird es keine Verpflichtung zur Marktöffnung geben. Dies haben die EU-Mitgliedsstaaten im Verhandlungsmandat festgelegt.
Es ist richtig, dass die USA zu diesem Bereich Vorschläge in die Verhandlungen eingebracht haben. Jedoch kann und wird die Kommission keine Zugeständnisse machen. Die entsprechenden Regelungen im CETA-Abkommen finden sich im Kapitel „Investment“, Artikel X.1 Ziffer 3, S. 147 und im Kapitel „Cross-Border Trade in Services“, Artikel X-01

Richtigstellung Rundfunk
Ja, der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist ausgenommen, zur Zeit und nur aufgrund der Hartnäckigkeit von Frankreich zu Beginn der Verhandlungen. Die Bundesregierung hat diese Ausnahme zu Beginn der Verhandlungen abgelehnt.
Die USA möchte den Rundfunk nicht im Kapitel Kultur verhandeln, da es sich aufgrund der Digitalisierung und der dadurch veränderten Verbreitungswege ihrer Meinung nach um Telekommunikation handelt. Dadurch wäre er nicht mehr von den Verhandlungen ausgenommen. In CETA gibt es einen Interessengleichklang zwischen Kanada und der EU, da beide die UNESCO Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen unterzeichnet haben. Die USA haben dies bislang nicht getan und werden es voraussichtlich auch nicht tun. Sie haben starke Interessen, z.B. die Quoten im Fernsehen für europäische Produktionen zu senken. Ausnahmen im Vertragstext zu verankern wird daher vergleichsweise schwierig werden.

Fracking
„TTIP ebnet den Weg für Fracking in Deutschland und der EU!“
Fakt ist: TTIP enthält keine Regelungen zum Einsatz von Fracking-Technologien.
Außerdem könnte ein Staat, sollte er Fracking gesetzlich einschränken oder verbieten, nicht im Rahmen von Investor-Staat-Schiedsverfahren zur Änderung seiner Gesetze verurteilt werden.
Negative Auswirkungen einer Gesetzesänderung auf eine bereits getätigte Investition reichen auch nicht aus, um einen Schadensersatz zu begründen. Vielmehr muss die Gesetzesänderung – wie z. B. ein Verbot von Fracking – willkürlich, unverhältnismäßig oder diskriminierend sein.
Im CETA-Abkommen ist klargestellt, dass Maßnahmen zum Schutz natürlicher Ressourcen einschließlich der Beschränkung von Konzessionen oder Verbote und Moratorien möglich sind (Art. X.4, Ziffer 2 d).

Richtigstellung Fracking
Im September 2013 hat die EU-Kommission ein Verhandlungspapier erstellt, in dem sie vorschlägt, dass es für TTIP ein eigenes Kapitel zu Rohstoffen und Energie geben soll. Darin geht es u.a. um fossile Rohstoffe, zu dem auch Erdgas und dessen Förderung gehören. Zugleich gab die EU-Kommission im Januar 2014 statt gesetzlicher Vorgaben zum Fracking in Europa lediglich weitgehend unverbindliche Mindestanforderungen an Umwelt und Gesundheit heraus. Gibt es dennoch gesetzliche Vorgaben, Verbote oder Moratorien, könnten Konzerne vor einem Schiedsgericht klagen, da z.B. öffentlich-rechtliche Konzessionen als Investitionen betrachtet werden können, was als Klage-Grundlage dienen kann.
Eine Gesetzesänderung hinsichtlich einer bereits getätigten Investition ermöglicht in jedem Fall eine Klage durch den Investor, wenn z.B. eine Regierung ein Fracking-Moratorium erlässt, obwohl bereits öffentlich-rechtliche Konzessionen an Konzerne vergeben wurden. Denn die Begriffe „willkürlich“, „unverhältnismäßig“, „diskriminierend“ oder „fair und gerecht“ sind sehr weit auslegbar. In Deutschland käme den Konzernen noch das veraltete Bundesberggesetz von 1980 zu Gute, das Fracking fast uneingeschränkt genehmigungsfähig macht, denn es besagt, dass die Sicherstellung der Versorgung mit Rohstoffen Vorrang gegenüber anderen übergeordneten Interessen des Gemeinwohls hat. Auch Klagen auf Grundlage des Energiecharta-Vertrages sind zu erwarten.
Bezüglich Fracking gab es bereits einige Investor-Staat-Klagen. Beispielsweise verklagte 2013 das US-amerikanische Öl- und Gasunternehmen Lone Pine den Staat Kanada, als die kanadische Provinz Quebec ein Fracking-Moratorium verhängte und einzelne Bohrlizenzen widerrief. Nach Lone Pine sei das Vorgehen der kanadischen Provinz „willkürlich, unberechenbar und illegal" gewesen. Allein die Drohung einer Investitionsschutzklage kann zu einem staatlichen Verzicht auf notwendige Auflagen führen und so Fracking spätestens durch die Hintertür ermöglichen.
Staatliche Regulierungsmaßnahmen erscheinen vordergründig in CETA möglich, können aber schnell in Konflikt mit Marktzugangsverpflichtungen (CETA, Art. X.4, Bestimmungen über Marktzugang) geraten. Etwa die Verweigerung von Betriebsgenehmigungen (bspw. neuer Fracking-Betrieb) könnte als unerlaubte „mengenmäßige Beschränkung“ interpretiert werden. Eine „Notwendigkeitsüberprüfung“ könnte eine Einschränkung des Frackings nur stattgeben bei einer „ausreichend ernsten Bedrohung“ der fundamentalen Interessen der Gemeinschaft. Da auch diese Formulierung viel Spielraum für juristische Interpretationen lässt, ginge eine Fracking-Beschränkung automatisch mit der Gefahr einer Investitions-Schutz-Klage einher.
Bereits heute versuchen Fracking-Konzerne in Europa und Amerika, Verbote juristisch anzufechten. Der US-Konzern Hess Oil zog in Frankreich vor Gericht, nachdem dort ein Verbot von Fracking erlassen wurde. TTIP und CETA würden Klagen eine noch größere Aussicht auf Erfolg bieten.

Theme by Danetsoft and Danang Probo Sayekti inspired by Maksimer